Direct Brands sind die Digital Natives unter den Marken. Was sie wesentlich von Marken klassischen Typs unterscheidet, ist ihre auf Daten beruhende Interaktivität. Bei Direct Brands gehört Interaktion zur Genese, sie ist Markenkonstituens ab ovo, bei klassischen Marken nicht. Zwar bewegen auch diese sich im Netz, sie starten dort aber nicht von Grund auf.
Eine Doppelhelix aus datenbasiertem Kundennutzen und datengerierendem Kundenverhalten bildet die DNA von Direct Brands. Ihr Wechselspiel setzt hohe Nähe zwischen Marke und Kunden voraus. Dialogisch konzipiert, brauchen sie den Nährboden des Gesprächs, um zu wachsen, sie benötigen also Umfelder, die sie besonders gut in sozialen Medien finden. Daher starten sie stets von hier aus ihre Brand Story, die fest mit einer Mission verbunden ist.
Mietübernachtung anders organisieren: AIRBNB.COM, Universalmatratze online kaufen und zuhause testen: CASPAR.COM, umzugsfreundliche Möbel schaffen: BARROW.COM, Blumenabos für alle: BLOOMON.COM, Kosmetik neu erfinden: SIO.COM, schlecht sitzende Männerkleidung abschaffen, nervendes Einkaufen ersparen: BONOBOS.COM
Die Brandstory entspringt in aller Regel einem Verbesserungsversprechen: Founder: N hat einen Missstand erlebt und kann diesen mit Produkt X oder Service Y beheben. Der Purpose, sprich ein von einer Mission getriebener Ansatz gehört zum lebens- oder auch durchaus weltverbessernden Gründungsimpuls von Direct Brands. Er bildet zugleich den Ausgangspunkt für das allen Direct Brands eigene Storytelling. Wie bei einem Staffellauf wird die Founderstory an die Influencer oder Kunden übergeben, die ihrerseits mit dem Produkt Erfahrungen sammeln, damit interaktiv experimentieren und zu weiteren Produktverbesserungen Anlass geben. Deshalb ist Content so essentiell für Direct Brands. Unter Content wird allerdings mehr als nur sinnstiftender Inhalt verstanden, sondern auch nutzerzentrierter Service. Service kann von der persönlichen Crew im Service Center über die App bis zu ganz anderen Hilfsmitteln reichen. Es kann auch von Kunden oder Influencern erstellter Service sein. Voraussetzung ist, dass im Sinne der Interaktion neue Daten generiert werden. Dazu muss jede Handlung maximal einfach durchzuführen sein. Was noch nicht einfach ist und nicht intuitiv funktioniert, fällt weg oder wird durch entsprechende Veränderung einfach gemacht.
Direct Brand zu sein, schließt stationäre Präsenz in der realen Welt nicht aus. Sie entwickelt sich mitunter nur von digital zu real. Wenn die Customer Journey von Direct Brands es erfordert, dass die digitale Sphäre verlassen werden muss, ermöglicht sie es eben. Es dient der Vereinfachung und erfüllt das implizite Markenversprechen.
WESTWING experimentiert mit Popup-Stores, weil sich zeigt, dass größere Möbel vor dem Kauf doch ganz gerne ausprobiert werden. Matratzenanbieter CASPER hat sogenannte „Dreamery“ Filialen aufgebaut, in denen Interessierte ein kleines Nickerchen machen können – digital buchungspflichtig selbstverständlich:
At Casper, we want everyone to sleep better and live better. So we created The Dreamery, a magical place in NYC where you can rest and recharge whenever you want. Because when you snooze, you win. Book a nap.
Getreu der Logik „Direct to the customer“ umgehen Direct Brands nicht selten den klassischen Groß- und Fachhandel. Selbstverständlich verstehen sie es, die im Online-Versand entstehenden Margen als Wettbewerbsvorteil zu nutzen. Direct Brands sind auf jeden Fall schnell, sowohl was die Produktion als auch die Logistik angeht. Überhaupt beweisen Direct Brands große Kreativität, wenn es um innovative Vertriebswege geht. Outfittery testet mit VW die Paketübergabe bis zum Kofferraum, auch dies ein strikt am Kundennutzen orientiertes Lieferungsmodell, da die wenigsten berufstätigen Männer tagsüber zuhause sind.
Aufgeschreckt durch schnelle Marktgewinne der Newbies haben die etablierte Unternehmen begonnen, ihre Marken für das interaktive digitale Zeitalter fit zu machen. Die aufgrund der Firmenhistorie angewachsene Größe des Kundenstamms, verbunden mit langjähriger Produkterfahrung, lässt sie Boden gut machen. Dennoch: oft genug liefern Direct Brands die Blaupause, denen klassische Marken durch tiefe Umbauprozesse folgen. Dazu kaufen Traditionsunternehmen Start-Ups, gründen eigene Direct Brands oder disruptieren das eigene Geschäftsmodell selber, bevor es womöglich die Wettbewerber tun (OTTO, KLÖCKNER).
In einer digital organisierten, von Daten und Algorithmen angetriebenen Welt profitieren Marken, die dem Typus der „Direct Brand“ folgen. Nicht Markenjugend oder -alter entscheiden über Erfolg und Misserfolg, sondern, wie sehr sich die Marke auf die veränderten technologischen Umfelder einstellen kann. Wer entlang der sogenannten Kundenreise (Customer Journey) ein bruchloses Gleiten zwischen den realen und digitalen Berührungspunkten (Touchpoints) ermöglicht, und diese konsequent zur interaktiven Verbesserung des Markenerlebens verwendet, hat beste Chancen, im derzeitigen Markt zu bestehen. Voraussetzung ist, die Marke Data-interaktiv ab ovo zu konzipieren. Ziel ist, von Anfang an mehr Daten zu generieren, die für eine kundenzentrierte Ausrichtung dynamisch genutzt werden kann. Zu Ende gedacht, sind Direct Brands nicht nah am Kunden, sondern tendieren, ihrer inneren Logik gemäß danach, ihm voraus zu sein. Algorithmisch unterstützt, können Direct Brands dieses latente Potential noch weiterausbauen. Hier noch einmal die wichtigsten Kennzeichen von Direct Brands auf einen Blick.
- Direct Brands entstehen aus Daten. Sie sind ab ovo Data-interaktiv konzipiert. Ihre Doppelhelix bildet sich aus datenbasiertem Kundennutzen und datengerierendem Kundenverhalten.
- Eine purpose- oder missionsgetriebene Story strukturiert
den Markenkern einer Direct Brand.
- Eine Founderpersönlichkeit sorgt mit einem erkennbaren Willen zur Verbesserung für den Erstantrieb.
- Über die Einbeziehung von Influencern und Kunden
baut die Direct Brand ihre Audience
auf.
- Mittels Content und Storytelling erzeugen Marke
und Audience ein sich selbst erhaltendes
System.
- Direct Brands steuern sich durch Werte wie Innovation, Einfachheit, Schnelligkeit und Agilität.
Der Begriff Direct Brands wurde beim ersten Direct Brand Summit des Interactive Advertising Bureau (IAB) am 30./31. Oktober 2018 in Bezug auf die Direct-to-consumer-(DTC) Brands verwendet. Vgl. Pressemitteilung vom 12. September 2018. BONOBO CEO Andy Dunn hatte zuvor den Begriff „Digitally-Native-Vertical-Brands“ DNVB etabliert. Das Konzept der Direct Brands hat IAB inzwischen ausgebaut und mit zahlreichen Cases hinterlegt.