Der mit 4.000 Euro dotierte internationale Literaturpreis Gesund schreiben der Wiener Ärztekammer wurde 2021 zum zweiten Mal verliehen. Als diesjährigen Siegertext wählte die Jury mein Prosadebüt „Was der Fall ist. Ein Stundenheft.“ aus. Da es in meinem Text um eine unheilbar erkrankte Protagonistin geht, mache ich mir in diesem Blogpost Gedanken zu Gesundheit, Krankheit, erschriebenem Leiden und dem Wert des Erzählens.
August Gustl Gemming
Kunst-Qualen. Gewalterfahrung und literarische Rache bei August Gemming
Gemmings Wege zur Kunst begleiten mindestens drei Gewalterfahrungen. Seine autobiographischen Notizen „Erinnerungen an vergangene Tage“* nennen sie nacheinander und stellen so einen direkten Zusammenhang her.
Zum 128. Todestag von August Gustl Gemming. Ein 128-Punkte-Listical statt Blumen.
Hätte, hätte Fahrradkette… Gemmings Lebensweisheiten zwischen Humor und Heiterkeit
August Gemming hat in seinem Leben herbe Enttäuschungen hinnehmen müssen. Dass er jedes Mal weich gelandet wäre, lässt sich genau so wenig belegen wie das Gegenteil. Allerdings hat sein Humor mit Sicherheit einiges abgefedert.
Das Atelier Elvira, die feministische Frage und August Gemmings Antwort #femaleheritage
Dass zwei Frauen sich liebten, gar öffentlich ihre Partnerschaft lebten, war im November 1886 alles andere als selbstverständlich. Zwar galt München vor 133 Jahren als vergleichsweise liberal, doch auch in Bayern begründete Duldung keine Akzeptanz und Toleranz kein Recht.
Fechten für die gute Sache. August Gemming als cleverer Markteer
Not macht erfinderisch. Der Humorist August Gemming, 1888 erneut knapp bei Kasse, versucht, mit seinen Werken Geld zu machen. Um den Absatz zu steigern, fällt er auf die Idee, diese im Bundling anzubieten. 5 Mark soll das Gesamtoeuvre kosten Darüber hinaus verspricht er, einen Teilerlös zu spenden:
Ein Theil des Betrags geht in die Cassa der Deutschen Reichsfechtschule.
Nachwort zu „Scherz und Ernst in Poesie und Prosa“, S. 64
G e m m i n g, Fechtmeister
Der Ochs, der nie ein Kalb war. August Gustl Gemming und die Fleischbrücke zu Nürnberg
Zu Gemmings Lebzeiten ist der Ochse als Arbeitstier noch Alltag. Doch im aufstrebenden Maschinenzeitalter werden die Zugtiere nach und nach ersetzt. Gemming verbindet mit dem Tier eine doppelte Heimaterinnerung. Einmal das Lasttier seiner frühen Kindheit rund um den Rothenberg im bäuerlichen Umfeld der fränkischen Alb. Sodann aber auch als Steinskulptur zum Fleischhaus. Der Lyriker Gemming widmet dem Ochsenportal zu Nürnberg ein Gedicht.
„Abgereist“. Weinagent Gemming und der leidige Vertrieb im Gedicht
Nachdem seine Arbeiten als Satirischer Zeichner, Komponist und Schriftsteller keine nennenswerte Früchte tragen, musste August Gustl Gemming bald andere Verdienstmöglichkeiten für sich auftun. Er probiert es mit Saisonjobs wie Fremdenführer, aber auch als Weinagent und Verkäufer von Petroleumlampen. Ein Gedicht über einen gewissen „G-.“ , der als Versicherungsvertreter für Schlechtwetter-Policen unterwegs ist, dürfte daher einen realbiographischen Hintergrund haben. Literarisch verwandelt Gemming die Kernaufgabe des Handelsreisenden in eine aufschlussreiche Vertriebs(tor-)tour.
Das blaue Tuch. August Gustl Gemmings Hassliebe zur Uniform
Als frischmontierte Regimentscadetten stecken August (16) und sein Bruder Theodor (17) Gemming in nagelneuen hellblauen, roth passepoilierten Körperhülsen. Sie schwören auf die Fahne und sagen ein Gedicht auf des Königs Waffenkleid auf. Ob die jungen Kerle ahnen, dass das Rezitieren von Versen ihr Schicksal nicht begünstigen wird?
Gemmings Hasen. Vignette, Signatur, Lebenschiffre
August Gustl Gemming betitelt seinen lyrischen Erstling „Poetische Verbrechen.“ Den Buchdeckel zieren zwei Feldhasen. Sie sitzen Seit an Seit unter dem Namen des Autors. Der rechte fixiert den Leser mit durchdringenden Augen, der linke kehrt ihm den Stummelschwanz zu. Die Vorlage zu dieser Vignette hat Gemming vermutlich selbst gezeichnet. Später greift er auf einen Holzschnitt von Theuerkorn zurück.
Neue Narrative vom Sterben. August Gustl Gemming, der Alte Nördliche Friedhof und der Tod
Als Gemming am 14. Februar 1893 starb, hatte die Moderne das Sterben längst als wachstumsstarken Markt entdeckt. Bedingt durch epochemachende Erfindungen wie Dampfkraft, Elektrizität, Eisenguss, Galvanisierung, veränderte sich das Erscheinungsbild der Friedhöfe und Grabmale spektakulär. Der Tod wurde ostentativer Akt bürgerlicher Selbstrepräsentation.
Gemming, Krieg und Kopfkino: „Die Bilder festhalten, die unaufhörlich unsere Kopfstation umkreisen“
Ein geschasster Militär, ein Feind, der fasziniert, und ein Sieg voller Widersprüche: Gemming beginnt seinen Einstieg in die Welt der Literatur als Kriegstagebuchschreiber. So recht glauben will an seinen Erfolg als Autor niemand.
Feste Bleibe? Warum ich August Gemmings Adressen digital und analog finden will
Das „Münchner Original“ August Gustl Gemming (1836-1893) wohnte in München nachweislich ruhelos. Seine zahlreichen Meldeadressen belegen mindestens zwanzig Ortswechsel. Häufig wechselt er in einer Straße mehrfach Häuser und Stockwerke, etwa in der Klenzestraße (18, 22, 34), Blumenstraße (21, 43), Müllerstraße (26, 46). Dazu nimmt er Quartier in der Marsstraße (34), der Baader- (56) und Schwindstraße (20). 1893 lautet seine Adresse Von-der-Tann-Straße 23 Rgb./0. Hier wird er elend, gepeinigt von Alpdrücken und Atemnot, an Wassersucht sterben.
Vom Fakt zum Fake. Wie aus August Gustl Gemmings Streich eine Story für die Nachwelt wurde
An seinem Ruf als Lustiger Leutnant, toller Gustl oder bayerischer Eulenspiegel hat August Gustl Gemming (1836-1893) fraglos seinen Anteil. Doch die Medien, erst recht Freunde und Feinde spielen ordentlich mit. In nuce zeigt sich, wie sie um einer guten Story willen die Fakten davonschwimmen lassen. Vor hundert Jahren geschah das wenig anders als heute.
Speeddate mit Folgen. Der tote August und ich
Ehrlich, ich wollte August Gemming nicht entdecken. Der Gustl, wie er auch genannt wird, stand meinem Plan geradezu im Weg. Doch sein großer Grabstein mit dieser seltsamen Inschrift, weckten meine Neugier. Ja, ich gebe zu, auch meinen detektivisch-journalistischen Spürsinn. Dabei wollte ich doch nichts als rein in die Natur, endlich raus aus immer neuen medialen und virtuellen Welten.